Warum reise ich so gerne? Es gibt Leute, die sagen ich bin mehr weg als ich da bin. Als ich überlegte für ein Jahr wegzugehen, hörte ich viele Kommentare. Ich wurde gefragt wovor ich weglaufe. Ich wurde gefragt wohin mich das bringen soll, ich sei doch schon nach dem Abi ein Jahr weg gewesen. Es sei doch das gleiche. Und ob das nicht irgendwann langweilig wird. Schließlich habe man doch alle besonderen Sachen schon gesehen.

An einem Abend in Laos wurde mir mal wieder klar: es gibt so viel auf der Welt was ich nicht verstehe. Was ich nicht greifen kann. Ich lebe in meiner Bubble. Ich bin neugierig. Ich möchte die Welt verstehen. Neues sehen und neues lernen. Den Blickwinkel ändern. Ich muss nicht alles gut finden, was auf dieser Welt passiert. Aber muss ich Dinge direkt ablehnen, weil ich sie nicht kenne? Oder sollte ich mir lieber anhören was andere Menschen mit anderen Lebensentwürfen zu sagen haben? Ich lief alleine durch eine mir fremde Stadt. Und plötzlich sprach mich diese lebensfrohe, tolle Frau an, weil sie mich am Morgen schon mal gesehen hatte. Würde ich eine komplett Fremde einladen mit meinen Freunden und mir ein Bier zu trinken? Vermutlich nicht. Warum sollte ich? Was habe ich davon? Und was hat sie davon, wenn sie doch unsere Sprache nicht versteht? Und trotzdem lud mich Coco ein. Ich nahm gerne an. Sie übersetzte teilweise Stücke des Gesprächs, wir lachten viel, sprachen mit Händen und Füßen. Diese Offenheit hat mich (mal wieder) unerwartet getroffen. Ich habe Glück mit fremden Menschen. Vielleicht auch, weil ich nicht scheu bin mich an einen Tisch mit Wildfremden zu setzen und einfach mal abzuwarten was passiert. Weil ich auch nicht abgeneigt war, mir die laotische Karaokeparty anzuschauen, auch wenn ich wusste, dass ich kein Lied kennen werde und am nächsten Morgen früh raus muss. Ich wollte dazu gehören. Einmal in die Welt der Einheimischen eintauchen und schauen was sie bewegt. Wie ihr Leben abläuft. Ich unterhielt mich mit Coco. Sie ist wie ich 28 Jahre alt, voller Lebensenergie, lacht viel. Eine Frau, die mit beiden Beinen im Leben steht. Man kann sie nur mögen. Hat drei Kinder, das erste hat sie mit 17 bekommen. Mittlerweile hat sie ihren zweiten Ehemann, ein 51 jähriger Franzose. Finde ich das komisch? Auf jeden Fall. Ich weiß nicht was ich davon halten soll. Eine Bar voll junger Laotinnen und drum herum uralte europäische Männer, die sich hier eine schöne Zeit mit den jungen Mädels machen. Seit vielen Jahren leben sie hier und genießen das vergleichsweise günstige Leben. Ich kam nicht umher Coco auf den Altersunterschied anzusprechen. Sie lacht nur und sagt „Ja, er ist viel älter als ich!“ Sie hat ein wenig französisch für ihn gelernt. Ich frage ob sie glücklich ist. Ob er ein guter Mann ist. Sie bestätigt das. Ich hab das Gefühl sie macht trotzdem ihr eigenes Ding. Der Mann ist lieb zu ihr und praktisch fürs Geld. Den Abend genießt sie trotzdem mit ihren Freundinnen, ihr Mann sitzt mit den anderen Europäern drinnenin der Bar, während wir draußen am Tisch unsere Zeit genießen. Sie scheint ihr Leben in vollen Zügen zu genießen.

Ich starte mit einer ihrer Freundinnen ein Gespräch über Lohn in Kambodscha. Was sie verdient; was das durchschnittliche Gehalt ist. Sie sagt es seien ungefähr hundert US-Dollar im Monat. Kurz darauf geht der Kopfhörer von Cocos Sohn kaputt. Der elfjährige Junge guckt super traurig. Ich erfahre, dass es ein Geschenk war und frage was es gekostet hat. 250.000 Kip, umgerechnet knapp über 11€. Später am Abend frage ich Coco, ob ich ihr Geld geben kann, damit sie ihrem Sohn neue Kopfhörer kauft. Sie lacht nur und sagt sie wird probieren sie zu reparieren. Es ist nicht, dass ich mich als überhebliche Europäerin geben will, die mit Geld nur so um sich schleudert und die armen Menschen rettet. Nur Coco hat mir an dem Abend so viel gegeben. Ich möchte etwas zurückgeben. Einen anderen Menschen glücklich machen, mit einer Geste, die für mich nicht viel ist, für den anderen jedoch unbezahlbar. Ich hätte ihrem Sohn gerne neue Kopfhörer gekauft. Einfach, damit er wieder lächelt. Doch auch beim zweiten Versuch am Ende des Abends lehnte Coco dankend ab.

Der komplette Abend kam super unerwartet für mich, ich hatte nichts davon geplant. Es gibt tausende Angebote und Touren, wo man sich als Tourist das Leben der Einheimischen anschauen kann. Doch wie viel echtes Leben sieht man da wirklich? Die Gastfreundschaft, die mir an diesem Abend zu Teil wurde, kam aus heiterem Himmel. Doch ich habe sie schon so oft auf anderen Reisen erlebt.

Reisen zeigt mir, dass Menschen gut sind. Dass die Welt oft gut ist. Dass man nur mit offenen Augen und Armen durch die Gegend laufen muss, um Glück zu erfahren. Ich bin dankbar, dass ich dieses Glück erfahren darf. Dass ich aus einem Land komme, indem es sowohl finanziell als auch politisch möglich ist zu reisen. Dass meine Eltern mir das schon als Kind mitgegeben haben und es mich so früh in andere Teile dieser Welt gezogen hat. Dort ist es anders. Nicht alles läuft immer wie zuhause wenn man reist und man verlässt oft seine Komfortzone. Doch reisen ist kostbar. Man lernt so viel über andere, über sich selber und man wird mit so viel Güte bedacht, wie man es zuhause nie erleben würde. Ich bin dankbar, es so einfach zu haben in dieser Welt. Die Welt empfängt mich seit jeher mit offenen Armen. Weil nicht alles schlecht ist. Weil es selten Grund gibt, wirklich zu jammern. Weil die meisten Menschen eine gute Natur haben und einem so viel geben, wenn man sie nur lässt.

Zudem habe ich das Gefühl, in den letzten Wochen wieder unendlich viel gelernt zu haben. Über mich selbst, weil man beim alleine reisen viel Zeit hat nachzudenken. Über meine Emotionen und Weltanschauungen. Ich merke, dass es mich wütend macht, wenn Menschen nicht bereit sind für Fairness und eine gerechte Welt zu kämpfen. Weil sie vielleicht Diskussionen damit starten könnten und gerade kein Contra vertragen. Oder auch aus anderen Gründen. Ich verstehe es nicht. Es macht mich sauer. Sollte es nicht die Priorität von uns allen sein, dass Menschen kein Leid mehr zugefügt wird? Ist es das nicht wert auch mal unangenehme Gespräche zu führen? Es weckt eine Wut in mir, dabei weiß ich nicht mal, ob ich nicht vor ein paar Jahren noch genau so gehandelt hätte. Es ist einfacher still zu bleiben und sich einfach nur seinen Teil zu denken.

Ich hab auch etwas über andere Länder mitsamt ihrer Geschichte ihre und Kultur gelernt. Ich bin definitiv nicht dümmer geworden auf meiner Reise und mir öffneten sich oft die Augen. Auch die Gespräche mit anderen Reisenden zeigen oft Aspekte zu verschiedenen Themen auf, die man so noch nicht betrachtet hat. Und man muss sich für keine Meinung verstecken. Denn die Menschen, die man auf Reisen trifft, sieht man meistens nie mehr wieder. Man muss mit ihnen nicht einer Meinung sein.

Ich würde gerne der Welt danken, dass sie so unglaublich toll und vielfältig ist. Dass sie mich immer mit offenen Armen empfängt; auf Reisen komplett verschlingt und ich es schwer habe wieder in meine „normale“ Welt zurückzukommen. Danke für all die tollen Begegnungen und Momente, die ich die letzten Wochen erfahren durfte. Und ich wünsche jedem, dass er über seinen Schatten springt und die selben Erfahrungen macht.

Ich habe in diesem Urlaub ein „Gästebuch“ dabei gehabt, in das sich jeder eintragen durfte, den ich getroffen habe. Es sind viele tolle Erinnerungen dabei entstanden und ich freue mich sehr über jeden einzelnen Eintrag.


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